Dämmerlicht und Finsternis

Eine Luke in den Bäumen gefunden: Blick auf den Sonnenuntergang von der Altstadt von Rovinj (Kroatien).

Die beiden Wochen in Rovinj (Istrien, Kroatien) waren nicht nur ein tolles Urlaubserlebnis (mehr dazu hier) sondern auch ein Highlight für mich als Hobby-Fotografin. Bestimmte Lichtsituationen und besondere Stimmungen einzufangen ist anspruchsvoll und herausfordernd. Und dann braucht es die “gute Gelegenheit”. Davon gab es in Rovinj zahlreiche. Bei so vielen stimmungsgeladenen Szenarien am Himmel und Horizont fragte ich mich irgendwann: “Was sind diese Phänomene eigentlich genau und wie entstehen sie?” Diesen Fragen bin ich hier und jetzt nachgegangen. Viel Spaß beim “dark learning”.

Tipp: Der Beitrag liest sich besser im Dunkeln…

Mehr zur Geschichte von Rovinj gibt es übrigens hier. Für alle, die Rovinj mal bei Regen und im Comic-Modus erleben möchten, geht es hier entlang.

Schauplatz der Dämmerung

Der Himmel, das was für uns knapp über dem Horizont beginnt, erhält seine blaue Färbung (das sog. “Himmelsblau”) durch die Streuung des Sonnenlichts in der Erdatmosphäre. Die Streuung wird durch die Luftmoleküle erzeugt und ist um so größer, je kürzer die Wellenlänge des Lichtes ist (1).

Wie die Dämmerung entsteht

Mit Dämmerung ist der Wechsel vom sonnenhellen Tag zur finsteren Nacht (oder vice versa) gemeint. Dementsprechend unterscheiden wir zwischen Morgen- und Abenddämmerung. Sie entsteht, wenn Sonnenlicht in den oberen Schichten der Atmosphäre diffus (= ohne einheitliche Richtung) gestreut wird. Dieses “Dämmerlicht” entsteht, wenn die Sonne knapp unter dem Horizont steht. Dabei erreicht sie noch die oberen Luftschichten, die ihre Strahlen reflektieren und streuen. Wir sehen die Sonne dann nicht mehr, jedoch scheint sie in besagte Luftschichten. Die Luftteilchen, Wolken, Dunst oder der Niederschlag in diesen Schichten streuen Teile des Lichts in Richtung Erde und erhellen so den Himmel. Es dämmert (4).

Hier Tag, dort Nacht

Wenn der Tag zur Nacht wird, und umgekehrt, dann ist also Dämmerung. Da der Übergang vom hellen Tag zur dunklen Nacht bis zu mehreren Stunden dauern kann, herrscht zu jedem Zeitpunkt nur auf 35 % der Erdkugel tiefe Nacht, auf 50 % der Erde ist Tag und 15 % liegen in der Dämmerung (4).

Schnell geklärt: Bürgerlich, nautisch oder astronomisch

Je nach Grad der Dunkelheit wird zwischen drei Arten der Dämmerung unterschieden:

  1. Bürgerliche Dämmerung: Bequemes Leselicht. Stand der Sonne höchstens 6° Grad unter dem Horizont.
  2. Nautische Dämmerung: erste Sternbilder sind sichtbar. Stand der Sonne zwischen 6 und 12° unter dem Horizont.
  3. Astronomische Dämmerung: Weitere Sterne kommen zum Vorschein. Sonnenstand zwischen 12 und 18°.

Danach erreicht das Sonnenlicht die höheren Luftschichten nicht mehr. Eintritt der Dunkelheit. Morgens spielen sich die drei Phasen der Dämmerung rückwärts ab, bis zum Aufgang der Sonne (4).

Warum dämmert es im Sommer länger?

Je nachdem, wie tief die Sonne unter den Horizont sinkt, dauert die Dämmerung unterschiedlich lange. Im Frühjahr und Herbst ist es bereits eine Stunde und 46 Minuten nach Sonnenuntergang finster. Im Winter sind die drei Phasen der Dämmerung (siehe oben) jeweils kürzer und so verlängert sich die Gesamtdauer der Dämmerung auf eine Stunde und 55 Minuten. Danach ist es auch hier dunkel. Die längste astronomische Dämmerung erleben wir im Sommer. Jede Dämmerungsphase ist länger und deshalb können wir in Bayern abends so lange im Biergarten sitzen. Mit fast 3,5 Stunden ist die gesamte Dämmerung fast zweimal länger als im Frühjahr oder Herbst (3).

Wer näher zum Äquator steht…

Aber, nun leben auch Menschen außerhalb Bayerns und deshalb verändert sich ebenso die Dauer der Dämmerung. Wer weiter südlich und damit näher am Äquator befindet, erlebt kaum eine Dämmerung. Der Grund dafür ist, dass die Sonnenbahn  hier fast senkrecht zum Horizont verläuft, die Sonne also schneller “unter” dem Horizont verschwindet. Im Umkehrschluss verlängert sich die Dämmerung zu bestimmten Jahreszeiten je näher man sich den Erdpolen befindet. kommen, umso ausgeprägter wird der Dämmerungsverlauf. Bis hin zur Polarnacht (3).

Einen Einfluss auf den Verlauf der Dämmerung hat nicht zuletzt auch die Zusammensetzung der streuenden Atmosphäre (4).

Exkurs: Wenn die Stunde “blau” schlägt

Noch nicht ganz, aber fast… Blaue Stunde meint nicht unbedingt die Farbe.
(Blick auf die Altstadt von Rovinj, Kroatien)

B wie ‘Blaue Stunde’: Der Moment gegen Ende der bürgerlichen Dämmerung genannt, wenn die Sonne etwa sechs Grad (ca. drei Fingerbreit) unter dem Horizont steht. Dann ist der Himmel genauso hell wie die künstliche Beleuchtung. Die so entstehende sehr gleichmäßige Ausleuchtung des Himmels wird blaue Stunde genannt. Ein visuell besonderes Ereignis (2).

“Weiße Nacht” ist nicht gleich Hochzeitsnacht

In der Zeit von Mitte Mai bis Mitte August steht die Sonne so weit nördlich, so dass sie nachts nur maximal 22° unter den Horizont sinkt (Standpunkt: Bayern). Daher wird es in diesem Zeitraum nachts nicht besonders dunkel und man spricht von “weißen Nächten”. Vier Breitengrade weiter nördlich (Berlin, Hamburg). Orte, die mehr als 22° nördlich haben keinen Sonnenuntergang mehr, z.B. Schweden, Norwegen, Finnland und Teile von Russland. 24 Stunden lang sieht man die Mitternachtssonne (5).

Jetzt haben wir es geschafft: Die Dämmerung ist zu Ende. Es ist Nacht.
(Blick auf die Altstadt von Rovinj, Kroatien)

Lieber nicht oder Workaholic-Paradies?

Manch einer wünscht sich den 24-Stunden-Tag einen Winterschlaf. Für Workspaces und Zeit-Hotels könnten an den Erdpolen noch Business-Nischen auftun. Am Nordpol (Arktis) gibt es keine Dunkelheit bei einem Sonnenstand von fast 20° über dem Horizont. Dieser 24-Stunden-Tag wird Polartag genannt. Tiere wie Eisbär und Rentiere, Polarfüchse, Schneehasen und Robben (6). Am Südpol (Antarktis) ist es genau anders herum: Es herrscht 24 Stunden Nacht, die Polarnacht. Hier leben viele Pinguin-Arten, Robben und Zugvögel. Jedoch nur an den Küsten, denn alleinig die Kaiserpinguine wagen sich ins Landesinnere (6). Man sollte immer vorsichtig sein, mit dem was man sich wünscht…


Quellen:

  • (1) Ich sag dir alles – über Natur, Geschichte, Politik, Kultur, Wirtschaft, Technik, Verkehr und Sport. Mosaik Nachschlagewerk, Verlagsgruppe Bertelsmann GmbH/ Mosaik Verlag GmbH, München 1980.
  • (2) br.de: Die Blaue Stunde – Fragiles Gleichgewicht aus Licht. Ein Beitrag von: Maier, Yvonne/Westram, Heike. Stand: 30.04.2019
  • (3) wissenschaft-im-dialog.de: Warum gibt es so große Unterschiede in der Dauer der Dämmerung? – Die Frage wurde beantwortet von Dr. Martin Trauth, Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam, 29.03.2008.
  • (4) br-online.de: Erläuterung der Dämmerung
  • (5) br-online.de: Bekannte Dämmerungserscheinungen
  • (6) planet-wissen.de: Fauna und Flora der Arktis und Antarktis