Über der Stadt Hydra und den Westen der Insel Hydra (Saronische Inseln, Griechenland, September 2020).


Sonderbares Hydra …

Seit ich von Athen zu den Saronischen Inseln aufgebrochen bin, habe ich bereits Ägina und Poros besucht. Mittlerweile bin ich auf der Insel Hydra, die auch zur Gruppe der Saronischen Inseln gehört. Heute beginnt schon mein dritter Tag hier. Nach der Eroberung des Stadthügels und einer Wanderung zum Kloster des Propheten Elias auf dem Hügel ‘Mount Eros’ löse ich heute das Rätsel um den Boykott von Autos auf der Insel und gehe dem Gedankengut der Einheimischen auf den Grund.

In den Hügeln rund um Hydra Stadt (Hydra, Griechenland, September 2020).
In den Hügeln rund um Hydra Stadt (Hydra, Griechenland, September 2020).

Wer Interesse an Einzelheiten zu meinem Aufenthalt auf der Insel Poros hat, erfährt hier und hier mehr. Viel nachzulesen gibt es außerdem zu meiner Zeit auf Ägina: Hier erfahrt ihr alles zur Anreise sowie zu meiner Sightseeing-Tour und zu meinem Entspannungstag. Wie sich der Tag meiner Ankunft auf Hydra gestaltete, könnt ihr hier nachlesen. Und hier berichte ich von meiner Wanderung zum Kloster des Propheten Ilias und Hydras vierbeiniger Prominenz.

Morgens ist die Hafenpromenade noch unbelebt, ruhig, die Stühle leer und die Glocken stumm (Hydra, Griechenland, September 2020).

Hydra – Insel der Einfachheit?

Wer der Unruhe und Hektik urbaner Räume entkommen möchte, der ist auf Hydra gut aufgehoben. Diese Tatsache macht die Insel nicht nur für ausländische Touristen zu einem entspannenden Reiseziel. Denn auch die Festlandgriechen nutzen Hydra um Abstand zum Lärm und Verkehrschaos der Hauptstadt Athen zu gewinnen. Durch die unmittelbare Nähe zu Athen wäre Hydra ein attraktives Ziel für Pauschal- und Langzeitreisende. Trotzdem beschränkt sich der Tourismus hauptsächlich auf Tagestouristen und Ausflügler. Doch warum ist das so? Die Gemeinde Hydra und ihre Einwohner haben sich bisher mit großem Erfolg gegen den Bau großer Hotelanlagen gewehrt. Hier soll kein Pauschalurlaub möglich sein, denn dieser ist unerwünscht. Was zunächst ausnahmslos vernünftig, bodenständig und unverfälscht klingt, könnte eine Kehrseite haben.

Ein Anblick, der Geschichten erzählt …

Oberhalb der eng geführten Gassen fallen mehrere sehr prächtige Villen und Anwesen auf, die sich hoch den Hang hinauf befinden. Relikte aus der Blütezeit Hydras im späten 18. Jahrhundert, in der Handel und Schifffahrt florierten? Zu dieser Zeit war die Kapitale der Insel mit fast 30.000 Einwohnern eine der größten Städte Griechenlands.

Ein Villen-Panorama in den Hügeln um die Stadt Hydra auf der gleichnamigen, saronischen Insel in Griechenland (Foto: Tanya Dedyukhina, CC BY 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by/3.0, via Wikimedia Commons.
Ein Villen-Panorama in den Hügeln um die Stadt Hydra auf der gleichnamigen, saronischen Insel in Griechenland (Foto: Tanya Dedyukhina, CC BY 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by/3.0, via Wikimedia Commons.

Exkurs: Was wäre Hydra ohne seine Geschichte ?

Ein felsiges Kleinod mit einer Kapelle vor der saronischen Insel Hydra in Griechenland (Foto: Church island Hydra, 16 July 2018, dronepicr, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons).
Ein felsiges Kleinod mit einer Kapelle vor der saronischen Insel Hydra in Griechenland (Foto: Church island Hydra, 16 July 2018, dronepicr, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons).

Aufstieg und Niedergang auf Hydra

Bis ins 19. Jhd. hatte sich Hydra zu einer Marine- und Wirtschaftsmacht entwickelt, die es zu einer der führenden Kräfte des nationalen Aufstands im Jahr 1821. Zudem trug Hydras Flotte 1821 im Befreiungskrieg Griechenlands gegen das osmanische Reich entscheidend zum Sieg bei. Denn mit über 100 Kriegsschiffen, ausgerüstet it mehr als 2000 Kanonen, nahm Hydra eine wichtige Rolle im Krieg ein. Trotz seiner zentralen Rolle im Griechischen Revolution erlebte die Insel nach der Revolution seinen wirtschaftlichen und sozialen Niedergang.

Die Burg Kavos in der Stadt Hydra auf der gleichnamigen, saronischen Insel in Griechenland (Foto: Castle of Kavos, Hydra Harbor, 16. Juli 2018, dronepicr, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons).
Die Burg Kavos in der Stadt Hydra auf der gleichnamigen, saronischen Insel in Griechenland (Foto: Castle of Kavos, Hydra Harbor, 16. Juli 2018, dronepicr, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons).

Die touristische Erschließung der Insel, die in den 1960er Jahren einsetzte, verhalf Hydra zu neuer Bedeutung und Entwicklung neuer Wirtschaftszweige. Aufgrund seiner Ursprünglichkeit begann Hydra das mediale Interesse anzuziehen und wurde sowohl unter Celebrities als auch bei Filmproduzenten und Fotografen sehr geschätzt.

1957 wurde der Film „Der Knabe auf dem Delphin“ mit Sophia Loren gedreht. Ein paar Jahre später war Hydra die Kulisse für Fotoaufnahmen von Greta Garbo und Maria Callas. Und so ging es in den 1960er Jahren weiter: Während Gunter Sachs und Aristoteles Onassis mit ihren Yachten im Hafen von Hydra vor Anker gingen, waren Henry Fonda und Juan Carlos „Kafenion“ am Anleger anzutreffen. Leonhard Cohen ließ sich damals als noch unbekannter Dichter auf Hydra nieder. Sein Haus steht noch heute in den Hügeln.

Hydras Hafenbucht mit Blick auf die Burg Kavos (links), Bild: Tanya Dedyukhina, CC BY 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by/3.0, via Wikimedia Commons
Hydras Hafenbucht mit Blick auf die Burg Kavos (links) (Foto: Tanya Dedyukhina, CC BY 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by/3.0, via Wikimedia Commons).

Über Wasser und auf vier Beinen

Wie bei vielen anderen griechischen Inseln kommen auch für die Einwohner Hydras alle lebensnotwendigen Waren mit dem Schiff vom Festland. der Weitertransport auf der Insel wird von Eseln und Maultieren bewerkstelligt, denen die Lasten auf den Rücken gepackt werden. Der Lastentransport in den engen, teilweise steilen Gassen der Stadt, ist nur durch die Tiere möglich. Neben den großen Frachtern, die Getreide und Lebensmittel anliefern, und den Trinkwasserschiffen fahren noch Taxiboote, die Touristen in die benachbarten Buchten befördern. Da es auf Hydra weder ein Straßennetz noch eine Verkehrsinfrastruktur gibt, konzentriert sich das Inselleben sehr auf die gleichnamige Hauptstadt der Insel. Im 18. Jahrhundert soll die Stadt 30.000 Einwohner gezählt haben.

Doch so schnell Hydra damals wirtschaftlich und sozial aufgestiegen war, so rasch ging es wieder bergab. Auslöser war die Verlagerung der Handelswege und vor allem die ungünstige geografische Situation auf der Insel. Um die Jahrhundertwende galt Hydra als nahezu entvölkert, wodurch auch die Stadt verfiel.

Gio la Gamb, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

Wie zu Zeiten von anno domini

Um das Ursprüngliche zu erhalten, wurden hier keine befestigten Straßen gebaut. Motorisierte Fahrzeuge sind hier weder erwünscht noch zugelassen. Zwei kleine Müllautos und wenige Feuerwehrfahrzeuge sind die einzigen Kraftfahrzeuge, die auf der Insel Fahrerlaubnis haben. Deshalb ist die Insel gänzlich frei von Straßenverkehr. Der Personentransport wurde auf das Wasser ausgelagert. Durch regelmäßige Fährverbindungen kommen die Besucher vom peloponnesischen Festland auf die Inseln. Mit sog. Wassertaxis können auch die schwer erreichbaren Strände erreicht werden. 

Für viele Touristen macht gerade die Abwesenheit von Luxus und Komfort die Insel zu einem reizvollen Reiseziel. Sie verbinden Hydra mit echter Erholung und Besinnung auf das Einfache: Wie z.B. dem Beobachten des Hafengeschehens in der Stadt oder einer Wanderung ins Hinterland. Hier befinden sich viele sehr alte Klöster. Lang gestreckte, weiße Strände fehlen gänzlich, dafür gibt es einige einladende Badebuchten und versteckte Strandabschnitte.

Die Kehrseite der Verbote

Malerisches Hydra: Purpurfarbene Bougainvilleaen, edel hölzerne Türen, steinerne Gassen einladend-gemütliche Tavernengarnituren (Hydra, Griechenland, September 2020).

Verbote à la carte

Nicht allen Inselbesuchern fallen die vielen Verbote auf Hydra auf und noch weniger interessieren sich für deren Hintergründe. Wegen der potenziell hohen Lärmbelästigung sind nicht nur Hotelanlagen sondern auch Clubs verboten. An Häusern dürfen weder Antennen noch Satellitenschüsseln oder Leuchtreklamen angebracht werden. Auch Plastikstühle sind verboten, ebenso der Bau von Tennisplätzen und Swimmingpools. Wozu diese strikten Vorgaben und strengen Verbote? Der Schutz des historischen Ortsbildes soll weiterhin gewährleistet sein. Prinzipiell werde versucht, ein massenhaftes Aufkommen an Touristen zu vermeiden sowie die Etablierung eines Pauschaltourismus. Nicht nur deshalb sind die hiesigen Immobilienpreise die höchsten Griechenlands (Neuss, 2018).

“Es fährt kein Taxi zum Hotel”

«Παραδοσιακός οικισμός Ύδρας» (dt. Traditionelle Siedlung von Hydra), 23 August 2015, Source: Iulco, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
«Παραδοσιακός οικισμός Ύδρας» (dt. Traditionelle Siedlung von Hydra), 23 August 2015, Source: Iulco, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Und jetzt? – Eine Tatsache vorweg: Auf Hydra gibt es keine Autos. So mancher würde bei seiner Ankunft im Hafen fragen: “Und wie wird dann mein Gepäck zum Hotel gebracht?” Gute Frage. Selber tragen oder einen Vierbeiner fragen. Anstelle von Taxis stehen Esel am Kai, die die Koffer der Feriengäste transportieren. Ein Service, den zum Glück nicht alle Hotels bieten. Denn wirklich dringend wird die Hilfe der Mulis für den Weitertransport im Hafen angelieferter Lebensmittel oder Baumaterial benötigt. Das Tragen von Koffern stellt demgegenüber keine essenzielle Dienstleistung für die Versorgung der Insel dar. Ein weiterer Grund seinen Koffer selbst zu tragen!

Hauptsache Coca Cola: Ein Maultier trägt Coca Cola durch die steinigen Gassen von Hydra (Image by Reissaamme from Pixabay).
Hauptsache Coca Cola: Ein Maultier trägt Coca Cola durch die steinigen Gassen von Hydra (Image by Reissaamme from Pixabay).

Friedlich, wie unberührt und nur ein paar Schritte hinaus aus der Stadt Hydra: Die Beobachtung eines Pferdes und ein Gemäuer, bei dem kein Stein dem anderen gleicht (Hydra, Saronische Inseln, Griechenland, September 2020).

Leben unter Denkmalschutz

In den 1960er Jahren wurde erst der Hauptort, dann die ganze Insel unter Denkmalschutz gestellt (tagesspiegel.de, 2018). Damit sollte zum einen die Geologie und zum anderen die eindrucksvolle Landschaft der Insel erhalten werden. Seitdem sind sowohl Kraftfahrzeuge als auch Straßenasphalt verboten. Um das Gesamtbild nicht zu beschädigen, ist die Bestuhlung mit Kunststoffstühlen in den Cafés und Restaurants untersagt. Ebenso wenig dürfen Parabolantennen auf den Dächern und Klimaanlagen an den Fassaden angebracht werden. Ferner sind Leuchtreklamen und selbst Fahrräder verboten. Tennisplätze und Swimmingpools auch. Beschlossen haben das nicht die Hydrioten, sondern die Regierung in Athen. Damit nicht genug. So folgt z.B. die Farbe der Fensterläden einer Vorschrift der griechischen Regierung. Was vielen Inselbewohnern nicht gefällt, denn wer möchte schon wie in einer Ausstellung leben. Allem Traditionsbewusstsein zum trotz stellt sich die Frage nach Authentizität, wenn das Erscheinungsbild der Insel primär auf Vorschriften basiert und nicht auf dem freiwilligen Verzicht der Bewohner.

Des einen Leid ist des anderen Freud

Für mich als Urlauberin ist der für die Insel eigentümliche Lifestyle eher eine angenehme Challenge während die hydriotische Inselbevölkerung unter den genannten Bedingungen ihren Alltag bewältigen muss. So berichtete der Tagesspiegel (2018), dass die Insel in der Stromversorgung vom abhängig Festland abhängig sei, denn auf Hydra dürfen keine Windräder gebaut werden. Und wenn Häuser renoviert werden müssten, sei dies sehr teuer. Denn aufgrund des Denkmalschutzes, dürfen z.B. Eingangstüren nur durch massives Holz Handarbeit ersetzt werden. Dieses sei nur eines von vielen Beispielen, die für dauerhaft höhere Lebenshaltungskosten sorgen, jedoch bei gleicher Steuerlast wie für andere Insel- und Festlandgriechen.

„Manchmal müssen wir Dinge die Hügel hochtragen, die selbst für die Esel zu schwer sind. Dafür brauchen wir die Autos. Und für die Müllabfuhr und die Feuerwehr“, sagt ein Barkeeper in einem der Hafencafés.

dronepicr, CC BY 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.0>, via Wikimedia Commons
Coast of Hydra Greece, 16 July 2018, Source: dronepicr, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons

Quellen:

  • focus.de: Die Côte Allure, FOCUS Magazin | Nr. 34 (2004), REISEN, Sven F. Georgens, 13.11.2013
  • wikipedia.org: Überblick zur Saronischen Insel Hydra
  • welt.de/reise: Kunst statt Autos – was Hydra so besonders macht, Patricia Engelhorn, 06.08.2015
  • worthseeing.de: Hydra: Besondere griechische Insel ohne Autos und Partys, Kristof Arndt, worthseeing.de, 2019 (aufgerufen am 29.03.2023)
  • athensinsiders.com: DIE INSEL HYDRA, athensinsiders.com, aufgerufen am 29.03.2023
  • reiseziele.ch: Die Insel Hydra – wo Autos unerwünscht sind, Susanne Mairhofer, 06.07.2014 (aufgerufen am 29.03.2023)
  • pcci.gr: Industrie- und Handelskammer Piräus, PIRAEUS CHAMBER OF COMMERCE & INDUSTRY, aufgerufen am 21.05.2022.
  • hydra.com.gr: Offizielle Homepage der Insel Hydra, aufgerufen am 21.05.2022.
  • tagesspiegel.de: Auf Hydra klingen Kirchenglocken heller, CHRISTIAN VOOREN, tagesspiegel.de, 17.06.2018.
  • rotary.de: Ein künstliches Paradies, Martin Mosebach, Rotary Magazin für Deutschland und Österreich, 01.08.2019
  • Hydras Katzen oder die Flucht ins Paradies (Leseprobe), Pia Neuss, BoD – Books on Demand, 04.06.2018