Von den Pflanzungen des Parks im Berggarten von Hannover habe ich bereits berichtet (hier geht’s zum Beitrag). Das war “outdoor” und heute geht es um die “Indoor-Area” in den Schauhäusern des Berggartens. Gerade die tropische Sammlung kommt mir bei dem regnerisch-kühlen Wetter wie gerufen.

Die Welt der Orchideen

Neben den Außenanlagen befinden sich im Berggarten zahlreiche Schauhäuser, in denen eine der größten Orchideensammlungen der Welt untergebracht sind. Die Sammlung kultiviert wissenschaftlich bedeutsame Pflanzen und übernimmt die Erhaltung seltener Arten, von denen manche am Ursprungsstandort ausgestorben sind. Mehr als 3.000 verschiedene Arten aus 320 Gattungen werden hier beherbergt. Das entspricht mehr als 10 Prozent aller weltweit bekannten Arten. Hinzu kommen 1.000 Sorten und Hybriden.

Das Arten-Spekrum der Orchideen

In den Anzucht-Glashäusern werden auf 840 Quadratmetern Fläche ca. 25.000 Pflanzen in fünf verschiedenen Temperaturbereichen kultiviert. Denn: Orchideen wachsen sowohl in tropischen, als auch in kühleren Gebieten bis jenseits des nördlichen Polarkreises. Die Sammlung umfasst viele Arten der Gattungen Stanhopea, Coryanthes, MasdevalliaDraculaBulbophyllum und Restrepia vertreten sowie die Hälfte aller Arten der Gattungen CatasetumMormodes und Cycnoches. Hohen wissenschaftlichen Wert haben v.a. die rund 50 Typus-Pflanzen in den Gärtenvon denen viele dieser Individuen (sog. Typen) hier erstmalig beschrieben wurden.

Orchideen als Tradition

Die Orchideen-Kultur hat seit 1835 Tradition in den Herrenhäuser Gärten. Unter dem Hofgärtner Hermann Wendland entwickelte sich 1858 eine systematische Sammlung. Diese befasst sich mit der Aufstellung des Pflanzenreichs und spezieller Pflanzengruppen nach einem dafür geschaffenen System und klassifiziert die Pflanzen innerhalb dessen. Vereinfacht kann man sich ein solches System wie einen sehr umfangreichen Stammbaum mit vielen Generationen vorstellen. So in etwa hat Hermann Wendland seinerzeit hat die Sammlung organisiert. Links im Bild: Eine Oncidium-Orchdieenart.

Exkurs: Wer war Hermann Wendland?

1825 in Herrenhausen geboren, war er sein Leben lang Botaniker, jahrelang leitender Hofgärtner (Herrenhäuser Gärten) und überdies Autor. Schon sein Vater Heinrich L. Wendland war Königlicher Hofgarteninspektor. Wendland entwickelte sich zum Experten für Palmen und deren Züchtung, wodurch seinerzeit die weltweit größte Palmensammlung in Herrenhausen entstand. 1856/57 sammelte er weitere Arten einer Forschungsreise durch Mittelamerika. 130 Arten wurden durch ihn beschrieben und benannt.

Ein großer Teil der Sammlung wurde durch den Zweiten Weltkrieg zerstört. Viele Botaniker und Orchideenspezialisten brachen zu weltweiten Sammelreisen auf und trugen erheblich zur Wiederherstellung der Sammlung bei. Arten wie Sievekingia herrenhusanaStanhopea x herrenhusanaEpidendrum herrenhusanumEmbreea herrenhusana und Oncidium herrenhusanum wurden in dieser Sammlung entdeckt.

Zwei Naturforscher, die gleichzeitig Botaniker von Weltrang waren, die die botanische bzw. biologische Einteilung von Arten überhaupt ermöglichten, seien hier genauer vorgestellt: Alexander von Humboldt und Carl von Linné.

Exkurs: Die Naturforscher Humboldt & Linné

Als Botaniker und Naturforscher leisteten Alexander von Humboldt und Carl von Linné Beachtliches. Beide schufen und etablierten auf mehreren Gebieten der Naturwissenschaften Systeme der Klassifizierung von Arten. Auf dem Gebiet der Botanik beschrieb Humboldt und mindestens 264 Arten, darunter viele Flechten- und Pilzarten (Link zur Artenübersicht). Linné beschrieb in seinem Werk Hortus Upsaliensis bis 1748 ca. 3000 verschiedene Pflanzenarten, die damals alle im Alten Botanischen Garten in Uppsala kultiviert wurden.

Tropische Orchideen

1958 erbaut und heute denkmalgeschützt zeigt das Orchideen-Schauhaus Arten verschiedener Klimazonen: bei ca. 20°C in der Dauerbepflanzung. Die Ausstellung ist geographisch konzipiert: Beginnend bei Mittelamerika, über Südamerika und Afrika erreicht man am Ende des Hauses Pflanzen aus Asien, die von zwei, aus Stämmen von Baumfarnen, geschnitzten Götzenstatuen aus Vanuatu (Inselstaat im Südpazifik) bewacht werden.

Aus aller Welt

Tillandsia usenoides hängt vom Arm einer Kakteenart im Kanarenschauhaus.

Teil der Dauerbepflanzung sind neben Orchideen auch Baumfarne, Farne aus Asien, Usambaraveilchen (Afrika) sowie Bromelien (Südamerika). Eine “besondere” Bromelienart ist Tillandsia usenoides (links im Bild), die wie ein weiß-grauer Bart aussieht und ganze Vorhänge bilden kann. Neben Orchideen gibt es weitere Epiphyten, sog. “Aufsitzerpflanzen”. So werden Pflanzen bezeichnet, die AUF anderen Pflanzen wachsen. Bromelien und epiphytische Kakteen wachsen ebenfalls auf Baumästen und -stämmen. Nutzpflanzen wie die Echte Vanille, Kaffee, Bergpapaya, Acerola, Pitanga (syn. Surinamkirsche) oder die Kava-Pflanze (Rauschpfeffer) erweitern die Ausstellung. Dauerhaft sind hier 500 bis 800 blühende Orchideen aus repräsentiert. Zum Abschluss ein paar “Insider-Infos” als Extra zu den genannten Pflanzenarten:

Extra: Botanik Insider-Wissen

Orchideen sind eine große Gruppe von ca. 30 000 verschiedenen Orchideen-Arten (syn. Spezies). Diese Gruppe nennt man Pflanzenfamilie und ist in Untergruppen, genannt ‘Gattungen‘, unterteilt . Die Orchideen-Familie heißt botanisch Orchidaceae. Die Vanille ist eine Gattung innerhalb dieser Familie, die aus tropischen und subtropischen Gebieten stammen. Die Echte Vanille ist eine Art dieser Gattung, die wir als Gewürz verwenden. Eine Gattung kann man als Verbund oder Gruppe von Pflanzenarten mit mehreren, gemeinsamen Merkmalen betrachten. Acerola (Malpighia glabra) ist keine Kirschenart, sondern gehört einer anderen Gattung an. botanisch gesehen ist sie aber wie die Süßkirsche eine Steinfrucht, so wie auch Pflaumen, Pfirsiche und Aprikosen. Ebenso wenig verwandt mit der Süßkirsche ist die Surinamkirsche (Eugenia uniflora). Auch hier handelt es sich um eine Art aus einer anderen Gattung. Die Früchte der Surinamkirsche sind allerdings Beeren und keine Steinfrüchte. Kaffee ist wie Vanille eine eigene Pflanzengattung, deren bekannteste Vertreter die Arten Coffea arabica (Arabica-Kaffee kultiviert) und Coffea canephora (Produktion von Robusta-Kaffee) sind. Bei den Kaffee-Arten sind die Früchte weder Bohnen noch Kirschen noch Beeren, sondern Steinfrüchte (s.o). Die Ananas ist übrigens ein Bromeliengewächs, aber keine Bromelie, da sie nicht zur gleichen Gattung gehört, lediglich zur gleichen Familie.


Quellen