Adam Smith’s Theorie der Ethischen Gefühle – Teil III

Adam Smith’s Theorie der Ethischen Gefühle – Teil III

Photo by Macau Photo Agency on Unsplash


Über die Grundlage der Urteile und über das Pflichtgefühl

Wer kennt es nicht? Das Pflichtgefühl. Bisher habe ich euch die beiden ersten Teile aus Adam Smith’s Buch ‘Theorie der ethischen Gefühle‘ (kurz: TEG; engl.The Theory of Moral Sentiments) vorgestellt. Im seinem ersten Hauptwerk beschrieb der schottische Moralphilosoph wie grundlegend Sympathie für die Entstehung ethischer Gefühle ist. Nicht nur unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern unser gesamtes Urteilsvermögen gründet auf Sympathie. Während ich hier das Prinzip der Sympathie und ihre Funktion vorgestellt habe, ging es im zweiten Teil darum, welchen Grundsätzen das menschliche Empfinden von Verdienst und Schuld folgt. Heute sehen wir uns dieGrundlage von Urteil und über das Pflichtgefühl‘ an.

Sowohl die Einhaltung von Geboten sowie der Regeln der Gerechtigkeit setzen ein Pflichtgefühl voraus.
Appell an das Pflichtgefühl: Justizia vertritt die Gerechtigkeit durch Unvoreingenommenheit (links) während Mose für die Zehn Gebote Gottes plädiert (Image by S. Hermann & F. Richter from Pixabay).

Über das Prinzip der Selbstbilligung und Missbilligung

Das Prinzip, nach welchem wir unser eigenes Verhalten billigen oder nicht billigen ist das gleiche Prinzip, nach dem wir ein Urteil über andere Menschen und ihre Handlungen fällen. Soweit wir uns in das einen anderen Menschen hineinversetzen können, sympathisieren wir mit ihm oder nicht. Und im gleichen Maß tun wir es mit unserem eigenen Betragen. Wir werden zu unserem eigenen Beobachter bzw. Zuschauer. Zudem prüfen wir unser Verhalten wie es ein gerechter Zuschauer tun könnte. Wir betrachten nicht nur unser Verhalten mit den Augen anderer Menschen, sondern auch die Handlungen anderer aus der Perspektive dritter. Und dies in der Art und Weise, wie jene den Betroffenen betrachten könnten.

So wie wir in unserem Alltag ein Urteil über anderer Menschen Handlungen fällen, beurteilen wir auch uns selbst aus der Perspektive eines unbekannte Dritten
So wie wir in unserem Alltag ein Urteil über anderer Menschen Handlungen fällen, beurteilen wir auch uns selbst aus der Perspektive eines unbekannte Dritten (Photo by Luke Paris on Unsplash).

Könnte also ein einsamer Mensch sich über sich selbst Gedanken machen und ein Urteil bilden? Er würde zwar Affekte haben und deren Ursachen würden in ihm diese Affekte aufs Neue wecken, aber die Betrachtung von Freude und Leid könnte in ihm keine Freude und kein Leid hervorrufen. Sobald er in Gesellschaft ist, wird ihm auffallen, dass die Menschen manche Affekte billigen bzw. missbilligen. Durch Sympathie wird auch er Freude, Leid und Abneigungen empfinden. Dadurch werden seine Freude und sein Leid zur Ursachen neuer Freuden und Leiden.

Urteil durch Perspektivenwechsel

So wie wir in unserem Alltag ein Urteil über anderer Menschen Handlungen fällen, beurteilen wir auch uns selbst aus der Perspektive eines unbekannte Dritten.
Foto von sl wong von Pexels

Dem zuvor Beschriebenen liegt zugrunde, dass wir unsere ersten Vorstellungen von anderen Menschen ableiten. Im Falle der Schönheit und Hässlichkeit werden wir von Körpern anderer affiziert. Unser eigener Körper wird wiederum in anderen Menschen Kritik oder Gefallen auslösen. Und so kommt es, dass wir uns fortwährend um unser Erscheinungsbild bemühen. Wir bewerten uns aus der Distanz heraus und durch die Augen anderer Menschen. Hätten wir keine Verbindung zur Gesellschaft wären wir auch nicht eitel. Daher richtet sich unsere moralische Beurteilung auf Charakter und Veralten anderer, um zu prüfen inwiefern wir selbst Kritik oder Beifall verdient haben. Und wir prüfen unser Verhalten sowie unsere Affekte danach, indem wir bedenken, wie sie uns wohl erscheinen würden, wenn wir an ihrer Stelle wären.

So wie wir in unserem Alltag ein Urteil über anderer Menschen Handlungen fällen, beurteilen wir auch uns selbst aus der Perspektive eines unbekannte Dritten
Photo by Karthik Balakrishnan on Unsplash

Generell sind wir Beifall gegenüber gleichgültiger als Tadel. Tadel trifft uns dann umso mehr, wenn wir bereits an uns selbst zweifeln. Gefallen ruft in uns Ruhe und Selbstzufriedenheit hervor. Aber eine Kritik führt bei uns zu Argwohn und dem Gefühl der Lasterhaftigkeit. Glück ist das Gefühl geliebt zu werden. Dahingegen ist Elend das Gefühl gehasst zu werden und dies zu verdienen. Wir versuchen uns eine Meinung zu bilden, indem wir uns als Handelnde aus der Perspektive eines Zuschauers sehen. Wir sind Richter und Gerichtete. Laster sind dabei hassenswert und strafbar. Demgegenüber Belohnung und Liebe verdienen liebenswerte Menschen.

Verlangen nach Lob und Lobenswürdigkeit

Allgemein fürchten wir ein negatives Urteil von Seiten anderer. Darüber hinaus haben wir Angst gehasst zu werden und hassenswert zu sein. Aber mehr noch als Tadel, fürchten wir Tadelnswürdigkeit und mehr als Lob lieben wir die Lobenswürdigkeit. Auch wenn wir nicht getadelt werden, möchten wir uns nicht tadelnswert fühlen. Darüber hinaus wollen wir nicht nur wegen Dingen gelobt werden, für die andere Leute Anerkennung erhalten. Sondern wegen Dingen, um derentwillen, AUCH andere Leute gelobt würden. Dafür müssen wir zu unparteiischen Zuschauern unserer selbst werden und uns mit den Augen anderer sehen, wie andere uns sehen würden. Wenn wir aus dieser Perspektive immer noch mit uns zufrieden sind, sind wir glücklich. Die Billigung anderer verstärkt dabei unsere Selbstbilligung und stärkt unser Selbstwertgefühl. Ihr Lob lässt uns lobenswürdig fühlen.

Photo by Tim Marshall on Unsplash

Warum Lob nicht gleich Lob ist

Doch das aufrichtigste Lob bedeutet uns nichts, wenn es kein Beweis für unsere Lobenswürdigkeit ist. Lob bringt uns nichts, wenn es unseres Erachtens nach keinen Grund oder Gegenstand gibt, für den für gelobt werden könnten oder sollten. Verdienen wir unseres Erachtens nach kein Lob, bewirkt das dieses Urteil anderer nichts bei uns, sondern erscheint uns irrtümlich. Unsere Unsicherheit in Bezug auf unsere Verdienste und unser Bestreben sollten in uns bewirken, das Urteil anderer über unsere Verdienste kennenzulernen. Wäre Lob für uns nur ein Beweis für unsere Lobenswürdigkeit, dann würden wir es niemals erzwingen oder durch Betrug erreichen wollen. Damit ist Lob für uns mehr, nämlich Anerkennung.

Lob und Tadel drücken die Gefühle anderer Menschen gegenüber unserem Verhalten und Charakter aus. Daher ist es uns so wichtig. Denn wer gelobt wird, wird geschätzt! Es ist mehr als Eitelkeit oder bloßes Verlangen nach Lob und positivem Urteil. Es geht auch um Verdienstlichkeit. Sehr wenigen Menschen genügt es vor sich selbst gut dazustehen. Wir möchten darüber hinaus von anderen bewundert und für lobenswert gehalten werden um uns selbst anerkennen zu können. Manche Menschen finden nichts an Lob, insofern sie nicht von ihrer Lobenswürdigkeit überzeugt sind. Andere sind nur auf Lob und positives Urteil aus. Demgemäß reicht es dem Menschen nicht, einfach nur nicht tadelnswert zu sein, es sei denn er ist dem verdienten Tadel entgangen.

So wie wir in unserem Alltag ein Urteil über anderer Menschen Handlungen fällen, beurteilen wir auch uns selbst aus der Perspektive eines unbekannte Dritten
Photo by Jacek Dylag on Unsplash

Der Weise, der “innere Mensch” und das Urteil der Spiegel

Der weise Mann strebt nicht nach Lob, aber er vermeidet Handlungen, die ihn tadelnswürdig machen sowie jede Gelegenheit, bei der er getadelt werden könnte. Es ist eine Schwäche wenn jemand nur auf Lob aus ist, auch wenn es um lobenswürdige Handlungen geht. Das Bemühen, dem Tadel entgehen zu wollen, ist aber vielmehr eine lobenswerte Klugheit. Der „innere Mensch“ in uns möchte lobenswürdig erscheinen und dies gründet sich auf den Wunsch, die Eigenschaften zu haben und die Handlungen zu vollbringen, die wir an anderen lieben und bewundern. Und genauso gründet sich diese Tatsache auf die Furcht, die Eigenschaften zu besitzen und die Handlungen zu tun, die wir an anderen hassen. Das Ausmaß, mit dem Tadel uns gegenüber ausgesprochen wird, dämpft unser Gefühl und unser Empfinden für das Lobenswerte und Tadelnswürdige. Wenn das Urteil der Zuschauer einstimmig gegen uns ist, fangen wir an zu zweifeln und zu zögern.

So wie wir in unserem Alltag ein Urteil über anderer Menschen Handlungen fällen, beurteilen wir auch uns selbst aus der Perspektive eines unbekannte Dritten
Photo by Jack Finnigan on Unsplash

Über das Urteil und die Autorität des Gewissens

Vergleiche mit anderen Menschen sind nur dann möglich, wenn ich verschiedene Perspektiven einnehme. Weder allein unserer noch allein der Standpunkt der anderen reichen aus. Es braucht eine unparteiische dritte Perspektive um zu einem Urteil meiner selbst zu kommen. Wenn unsere passiven Gefühle fast immer so egoistisch sind, warum sind die Prinzipien, die unsere Handeln bestimmen so edelmütig? Wenn uns immer alles das, was uns selbst betrifft, so viel mehr berührt als alles, was andere betrifft, was ist es, das uns fähig macht unsere eigenen Interessen den größeren Interessen anderer zu opfern? Die Antwort bilden die Vernunft, der Grundsatz, das Gewissen, der innere Mensch und das Urteil des eigenen Richters über unser Verhalten.

Die Tücken der Selbstliebe

Nur der unparteiische Zuschauer allein lehrt uns die wirkliche Geringfügigkeit unseres eigenen Selbst erkennen und nur durch seine Augen können wir die Täuschungen der Selbstliebe überwinden. Nicht aus Liebe zur Menschheit oder Nächstenliebe tun wir dies, sondern aus Liebe zu allem Ehrenwerten, aus Verlangen nach Größe, aus der Würde und Erhabenheit unseres Charakters. Sobald wir mit unserem Verhalten am Glück oder Unglück anderer beteiligt sind, kann uns die Selbstliebe nicht mehr täuschen unseren Vorteil durchzusetzen.

Photo by Macau Photo Agency on Unsplash

Adam Smith sagt, dass ein Einzelner niemals sich selbst einem anderen vorziehen darf, wenn für den anderen ein Schaden entsteht. Auch wenn der eigene Vorteil größer wäre als der Schaden des anderen. Den daraus entstehenden Makel unserer Selbst und die Verachtung anderer für uns würden wir nicht ertragen. Sobald aber unsere Interessen die der anderen nicht mehr tangieren und wir durch die unsrigen keinen Einfluss auf Glück oder Unglück anderer Menschen nehmen können, lassen wir uns von der Selbstliebe leiten. In diesem Fall handeln wir so, dass eine Unparteilichkeit zwischen uns und den anderen gewährleistet ist. Selbst im Alltag sei es problemlos möglich sittlich richtig zu handeln und sich dabei nicht sehr einschränken zu müssen.

Zwei Arten von Philosophien

  1. Wir empfinden für andere nur soviel wie für uns selbst
  2. Wir empfinden für uns selbst nur so viel, wie wir für andere empfinden

Diese Philosophen werfen immer vor, dass wir uns erlauben glücklich zu sein obwohl andere Menschen Unglück erleben. Ihnen zufolge sollten wir alle niedergeschlagen sein. Aber eine übertriebene Sympathie mit einem uns unbekannten Unglück ist sinnlos. Warum sollte man eher mit dem einen weinen, als mit den anderen zwanzig lachen? Ein derartiges Mitleid ist nicht nur künstlich, sondern auch nicht im Menschen hervorrufbar. Außerdem machen wir mit unserem Mitleid andere Leute noch mehr elend fühlend. Unser Mitleid ist bei Menschen, denen wir weder Dienste noch Schaden zufügen können, deshalb sehr gering (z.B. aufgrund räumlicher bzw. geografischer Distanz). Und unser Mitleid ist schon gar nicht vorhanden, wenn wir an Leiden der anderen Menschen nichts ändern können.

Photo by Christian Battaglia on Unsplash

Selbst-Urteil und Selbstbeherrschung

Weil wir das Mitleid anderer nicht ertragen, bemühen wir uns zu Selbstbeherrschung und Fassung. Der Grad von Selbstbilligung, mit der wir unser eigenes Verhalten betrachten, ist höher oder niedriger, im Verhältnis zum Grad von Selbstbeherrschung, die nötig war, um diese Selbstbilligung zu erreichen. Mit der Selbstbeherrschung überwinden wir unser Mitleid uns gegenüber und können uns wieder anderen Dingen in voller Aufmerksamkeit widmen. Dies lässt sich mit “gutem Betragen im Unglück” beschreiben: Wer in seinem Elend, seiner Trauer und seinem Selbstmitleid versinkt, kann nicht weiterleben und gelangt nicht mehr zur Zufriedenheit mit sich selbst bzw. nicht zu einer hohen Selbstbilligung.

Wer unglücklich ist, sollte es nicht mit jedem teilen, sondern nur mit den vertrautesten. Wer glücklich ist, sollte es nur mit gleich- oder höhergestellten teilen. Nicht mit denen, die einem nun unterlegen sind. Das grämt ihren Stolz. Die Richtigkeit der eigenen sittlichen Gefühle ist dann in Gefahr, wenn der parteiische und nachsichtige Zuschauer näher ist, als der unvoreingenommene und unparteiische Zuschauer. Der parteiische Zuschauer möchte nur die Billigung seiner Mitbürger erlangen und ihr Wohlgefallen ernten. Darunter leiden jedoch Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit. Daher verleitet uns die Selbstliebe manchmal zu Prahlerei und gefallsüchtigem Verhalten ohne dabei die Lage des anderen zu sehen.

Photo by Daniel H. Tong on Unsplash

Seneca’s Ausspruch

Der stoische Weise ist einem Gott überlegen, denn die Furchtlosigkeit des Gottes sei ein Werk der Natur, die ihn vom Leiden befreit habe. Die Furchtlosigkeit des Weisen sei sein eigenes Werk und stamme ganz und gar aus ihm selbst und seinen eigenen Anstrengungen.


Quellen

  • Theorie der ethischen Gefühle, TEG IV, 307-330: Über den Einfluss der Nützlichkeit auf das Gefühl der Billigung.
Adam Smith’s Theorie der Ethischen Gefühle – Teil IV

Adam Smith’s Theorie der Ethischen Gefühle – Teil IV

Image by Hong Zhang from Pixabay


Über den Einfluss der Nützlichkeit auf das Gefühl der Billigung

Bisher habe ich euch die beiden ersten Teile aus Adam Smith’s Buch ‘Theorie der ethischen Gefühle‘ (kurz: TEG; engl.The Theory of Moral Sentiments) vorgestellt. Im seinem ersten Hauptwerk beschrieb der schottische Moralphilosoph wie grundlegend Sympathie für die Entstehung ethischer Gefühle ist. Nicht nur unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern unser gesamtes Urteilsvermögen gründet auf Sympathie. Während ich hier das Prinzip der Sympathie und ihre Funktion vorgestellt habe, ging es im zweiten Teil darum, welchen Grundsätzen das menschliche Empfinden von Verdienst und Schuld folgt. Heute sehen wir uns den‘Einfluss der Nützlichkeit auf das Gefühl der Billigung‘ an.

Da Nützlichkeit auf Schönheit basiert, finden vor allem vollkommen schöne Dinge unsere Zustimmung.
Image by Phu Nguyen from Pixabay

Über die Schönheit aus Nützlichkeit

Die Nützlichkeit eines Gegenstandes gefällt dem Besitzer, weil er ihn an das Vergnügen und die Bequemlichkeit erinnert, die der Gegenstand leistet. Der Zuschauer nimmt infolge der Sympathie Anteil an den Empfindungen des Besitzers. Wider Erwarten wird der glückliche Umstand der Erfindung eines Gegenstandes oft mehr geschätzt, als der Zweck für den er geschaffen wurde.

Genauso wird die Herbeiführung einer Bequemlichkeit und Vergnügung oft mehr beachtet als die Bequemlichkeit selbst, die das Ziel der Erfindung darstellt. Um etwa einem zukünftigen Mangel an Bequemlichkeit zu entgehen, nehmen wir oft zunächst Mühen auf uns bevor uns im Nachhinein ein Nachteil entsteht. Z.B. räumen wir etwas auf, damit wir es nachher bequem hätten oder sortieren Dinge, um sie später wieder finden zu können. Aber vielmehr als die für uns entstehende Bequemlichkeit nach dem Aufräumen, genießen wir eine bestimmte Anordnung der Dinge (im Raum und zueinander). Und trotzdem steht hinter der Anordnung die Bequemlichkeit, die sich ausdrücken will sowie die Schicklichkeit und Schönheit der Anordnung selbst.

Da Nützlichkeit auf Schönheit basiert, finden vor allem vollkommen schöne Dinge unsere Zustimmung.
Image by Cooky07 from Pixabay

Gewissenhaftigkeit

Gewissenhaftigkeit in einem Bereich muss sich in anderen Lebensbereichen oder Angelegenheiten nicht wiederfinden. Und dies nicht etwa deshalb, weil uns viel an Pünktlichkeit oder Gewissenhaftigkeit liegt, sondern weil wir die Vollkommenheit des Gegenstandes schätzen und sein vollkommenes Funktionieren.

Darüber hinaus ist die Anschaffung eines unbedeutenden Nutzwertes nicht so sehr mit der Nützlichkeit und dem Nutzen des Gegenstandes verbunden. Vielmehr ist es die Geschicklichkeit, einen solchen Nutzen zu bewerkstelligen. Darüber hinaus sind es die Liebe zur Funktionsweise und zum Funktionieren als auch für die Erfindung an sich. Egal wie geringfügig der Gegenstand ist und egal wie groß der Nutzen für ihn oder eine Allgemeinheit.

Vollkommenheit geht mit Schönheit einher. Aus Vollkommenheit wird Nützlichkeit und diese löst in uns ein Gefühl der Zustimmung aus.
Foto von Marta Dzedyshko von Pexels

Ehrgeiz und Reichtum

Für eine uns erträumte Vorstellung von Bequemlichkeit tun wir Dinge, die in höchstem Maßen unbequem sind und sogar unbequemer er der erduldete Mangel der Situation, aus der wir kommen, die wir aber ändern möchten, weil wir sie unbequem finden. Der Nutzen der kleinen Dinge ist für uns nicht so augenscheinlich wie Gegenstände, die sich durch Größe und Reichtum ausdrücken. Die Befriedigung der Besitzer prachtvoller Gegenstände des Reichtums wird von uns geteilt und gebilligt. Wir können sie leicht nachvollziehen und der gegenständliche Nutzen erschließt sich uns von selbst.

Weil wir mehr auf die Empfindungen eines Zuschauers achten als auf jene der betroffenen Person, stellen wir uns eher vor, wie seine Situation den anderen erscheinen wird. Und weniger wie sie dem Betroffenen selbst erscheint. Der Zuschauer bildet sich aber nicht ein, dass reiche Menschen glücklicher sind, sondern dass sie mehr Mittel zur Glückseligkeit besitzen. Und die geistreiche wie kunstvolle Anordnung der Mittel zu ihrem Zweck, erwecken unsere Bewunderung.

Image by Jill Wellington from Pixabay

Die Schatten des Reichtums

Angesichts von Alter und Krankheit verliert Reichtum jedoch seinen Reiz und damit auch unsere Bewunderung dafür. Denn die Vorzüge des Reichtums sind nicht mehr imstande Alten und/oder Kranken die für den Reichtum aufgewendeten Mühen zu seiner (Aufrecht-)Erhaltung erträglich zu machen. Im Gegenteil, wurden die Unbeschwertheit und Sorglosigkeit der Jugendjahre für etwas geopfert, das keine wirkliche Befriedigung bietet und bieten kann.

Für Adam Smith zeigt sich Reichtum dann als Maschine, die einige, an sich wertlose, Bequemlichkeiten zustande bringen kann, aber sorgfältig in Ordnung gehalten werden muss. Und um diese zu erreichen die Anstrengungen eines ganzen Lebens nötig sein können. Erst wenn wir das scheinbar Schöne und Edle haben, sehen wir seine Geringfügigkeit, im Vergleich zu Gütern wie Gesundheit. Sowie seine eigentliche Wertlosigkeit für unsere Glückseligkeit. Die ursprüngliche Täuschung über die enorme Befriedigung durch Reichtum weckt aber den Ehrgeiz in uns.

Image by Seonghun Jeong from Pixabay

In dem Wohlbefinden des Körpers und dem Frieden der Seele sind Arme und Reiche jedoch gleichauf. Ferner teilen sie die gleiche Liebe zur Ordnung und Schönheit.

Gemeinsinn und Menschlichkeit

Wenn sich jemand um die Verbesserung des Rechts, der Verwaltung, des Handels oder öffentlicher Angelegenheiten bemüht, dann tut er dies vor allem aus dem Gefühl der Genugtuung für die Vervollkommnung eines Verwaltungssystems, der Ausbreitung des Handels und dergleichen. Jedoch nicht aus Sympathie für die Geschäftsleute und Hersteller und weder aus der Sympathie für die Profitierenden, noch aus Mitgefühl für die, die vormals Nachteile hatten. Es geht vielmehr um die Verbesserung des Systems, des großen Ganzen, das uns umgibt und dessen Teil jeder von uns ist. Bis jemand dies erreicht hat, wird er nicht ruhen und dafür alle Mühen auf sich nehmen. Denn er tut dies aus Gemeinsinn heraus.

Nach Adam Smith bieten Bequemlichkeit und Komfort keinen richtigen Anreiz sondern erst der Gedanke an ein ausgeklügeltes System in bester Ordnung, voller Funktionstüchtigkeit und hoher Zweckmäßigkeit. Denn diese beeindrucken die Menschen weitaus mehr. Ein System in Harmonie und ein Zustand der Reibungslosigkeit.

Vollkommenheit geht mit Schönheit einher. In Schönheit erkennen wir Nützlichkeit und diese löst in uns ein Gefühl des Gutheißens aus.
Image by Republica from Pixabay

Systemdenken und Nächstenliebe

Aus Systemgeist, Liebe zur Kunst und zu Erfindungen schätzen wir die Mittel oft mehr als den Zweck. Die Absicht ein System zu verbessern wiegt höher als jene, mehr Glückseligkeit unter den Menschen zu schaffen. Menschen mit großem Gemeingeist sind nicht notwendigerweise auch “menschlich” oder von Nächstenliebe geprägt. Andersherum gibt es Menschen, die viel Nächsten- und Menschenliebe zeigen, aber kaum Gemeingeist besitzen. An den Gemeinsinn eines Menschen zu appellieren ist weitaus effektiver und motivierender als an den Sinn der Nächsten- und Menschenliebe.

Gemeinsinn und Menschlichkeit sind nicht immer in einem Menschen vereinigt. Menschlichkeit besteht nur in einem feinen Mitgefühl, das ein Zuschauer den Empfindungen des Betroffenen hat. Zudem erfordert Menschlichkeit keine Selbstbeherrschung und keine große Anstrengung des Gefühls für sittliche Richtigkeit. Es ist ein Gefühl von Sympathie. Anders beim Edelmut. Indem wir anderen Menschen vor uns selbst den Vorzug geben und ein wichtiges eigenes Interesse einem gleichen Interesse eines Freundes opfern, zeigen wir uns edelmütig.

Image by 272447 from Pixabay

Nützlichkeit und Charakter

Die Charaktere der Menschen können die Glückseligkeit der Individuen und der Gesellschaft fördern oder hemmen. Gemeinhin entsteht Schönheit durch Nützlichkeit während Schädlichkeit aus Hässlichkeit (im Sinne der Unvollkommenheit oder Schlechtigkeit) erwächst. Charakterzüge sind mit Schönheit und Hässlichkeit vergleichbar und daraus leitet sich der Nutzen oder Schaden für andere Individuen oder eine Gemeinschaft ab. Beispielsweise ist eine schlechte Regierung nicht zum Schutz gegen Verbrechen und Missstände imstande.

Nur Eigenschaften, die dem Besitzer oder seinen Mitmenschen nützlich und angenehm sind, werden als tugendhaft gebilligt. Und nur unnütze, unangenehme Eigenschaften als lasterhaft missbilligt. Wenn wir Tugend und Laster jedoch in allgemeiner Weise betrachten, dann schwinden die Eigenschaften, welche die Empfindungen hervorrufen und die Empfindungen werden weniger deutlich erkennbar.

Image by 彬彬 王 from Pixabay

Von der Quelle der Billigung und Missbilligung

Adam Smith zufolge sei der Anblick von Nützlichkeit oder Schädlichkeit die Hauptquelle für Billigung und Missbilligung. Die Schönheit der Nützlichkeit und die Hässlichkeit der Schädlichkeit verstärken die Gefühle von Billigung und Missbilligung. Das Gefühl der Billigung trägt ein Gefühl von Richtigkeit einer mit Nützlichkeit verbundenen Gesinnung in sich.

Verstand, Vernunft und Klugheit

Die für uns wichtigsten Eigenschaften bilden überlegener Verstand und Vernunft, da sie uns befähigen die Folgen unserer Handlungen zu erkennen und Vorteile wie Nachteile zu antizipieren. Diese Fähigkeiten helfen uns darüber hinaus Selbstbeherrschung zu wahren, Durststecken zu überwinden und Schmerzen zu ertragen um künftige bessere Zustände zu erreichen oder größerem Schaden zu entgehen. Darin besteht die Tugend der Klugheit und sie ist von allen die nützlichste für den Einzelnen. Höherer Verstand und Vernunft werden nicht nur als nützlich und vorteilhaft gebilligt, sondern als richtig und angemessen. Daher werden Wissenschaften werden als richtig und angemessen angesehen ohne dass wir den Nutzen ihrer Untersuchungen genau verstehen oder nachvollziehen können.

Vollkommenheit geht mit Schönheit einher. In Schönheit erkennen wir Nützlichkeit und diese löst in uns ein Gefühl des Gutheißens aus.
Image by Alain Audet from Pixabay

Selbstbeherrschung und sittliche Richtigkeit

Selbstbeherrschung ist sittlich richtig und nicht nur nützlich. Die zukünftige Freude der jetzigen, sofortigen Befriedigung zu opfern scheint uns töricht und unbesonnen. Umgekehrt erhält Selbstbeherrschung Bewunderung. Daher erhalten auch Beharrlichkeit und Genügsamkeit so große Hochachtung. Diese Ansicht vom Interesse und Glück eines Beharrlichen, die sein Verhalten lenken, deckt sich mit unserer Vorstellung davon. So dass es eine vollkommene Übereinstimmung zwischen seinen und unseren Empfindungen gibt. Da wir sonst sehr oft die Schwächen der menschlichen Natur erleben, billigen wir das Verhalten eines Beharrlich-Genügsamen nicht nur, sondern bewundern es.

Und nur in diesem Bewusstsein können wir einen Menschen zu einem derartigen Verhalten ermuntern. Ohne das Gefühl der sittlichen Richtigkeit und durch das Bewusstsein Achtung und Billigung von Seiten anderer zu verdienen, könnten wir einen Zustand des Glücks in 10 Jahren niemals einer gegenwärtigen, sofortigen Befriedigung vorziehen. Von der Übereinstimmung der Neigungen des Handelnden und des Zuschauers hängen Achtung und Billigung ab.

Vollkommenheit geht mit Schönheit einher. In Schönheit erkennen wir Nützlichkeit und diese löst in uns ein Gefühl des Gutheißens aus.
Image by Ioannis Ioannidis from Pixabay

Nützlichkeit und Edelmut

Im Fall von Edelmut haben wir ein größeres Gefühl für etwas, das den anderen betrifft und weniger für das, was uns selbst angeht. Der Edelmütige betrachtet dabei die entgegengesetzten Interessen nicht aus ihrer Perspektive, sondern aus der Sicht des anderen (aus der Sicht des unparteiischen Zuschauers). Sobald wir uns bemühen so zu handeln, dass wir Bewunderung und Anerkennung verdienen, sind wir bereitwilliger unsere (oft kleinmütigen) Interessen zu opfern um die größeren eines anderen zu sichern. Auch hier nimmt der Handelnde die Sicht des unparteiischen Zuschauers ein. Daher versuchen wir in Übereinstimmung mit den Ansichten eines unparteiischen Zuschauers zu handeln.

Unsere Bewunderung gründet sich oft auf die edle sittliche Richtigkeit einer Handlung, die ein Opfer erfordert, und nicht so sehr auf die Nützlichkeit einer Handlung. Wenn wir aber ihre Nützlichkeit beachten, dann erhält ihre Schönheit unsere Billigung. Die Schönheit wird nur von solchen Menschen erkannt, die viel nachdenken und ist keine Eigenschaft, die die Empfindungen der großen Menge befürwortet.

Vollkommenheit geht mit Schönheit einher. In Schönheit erkennen wir Nützlichkeit und diese löst in uns ein Gefühl des Gutheißens aus.
Image by Jaesung An from Pixabay

Einfluss der Sozialisierung

Der Mensch ist ein Gesellschaftstier. Daher fühlen Menschen ohne Verbindung zu einer Gesellschaft nicht die Billigung für die Schönheit nützlicher Gegenstände und auch nicht die Abneigung für unvollkommene Erfindungen. Erst mit einer Sozialisierung kommt Sympathie für Absichten und Handlungen sowie Billigung für Empfindungen und Affekte zustande. Während Schönheit uns berührt, stößt uns Hässlichkeit ab. Freude kommt ins uns auf, wenn jemand eine Belohnung verdient und vor Strafe zurückschrecken. Alle diese Gefühle basieren auf der Vorstellung eines inneren Richters, der sie fühlt und nur aus Sympathie mit den Entscheidungen dieses Schiedsrichters über das Verhalten einer Person können wir Selbstbilligung und Selbstverurteilung erleben.


Quellen

Textgrundlage: Theorie der ethischen Gefühle, TEG IV, 307-330: Über den Einfluss der Nützlichkeit auf das Gefühl der Billigung.