In meinem letzten Beitrag habe ich euch den 1. Teil der Theorie der ethischen Gefühle (kurz: TEG; engl.The Theory of Moral Sentiments) vorgestellt. Dabei ging es um Sympathie und ethische Gefühle. Menschen können untereinander und zueinander von Natur aus eine Verbindung auf der Gefühlsebene herstellen. Dies gelingt über die Sympathie. Im ersten Teil beschreibt Smith, was Sympathie ist, welches Prinzip ihr zugrunde liegt, wie sie funktioniert und nicht zuletzt, welchem Zweck sie dient. Heute geht es um‘Verdienst und Schuld’. In diesem zweiten Teil des Buches untersucht Adam Smith welchen Grundsätzen das menschliche Empfinden von Verdienst und Schuld folgt.
Welchen Grundsätzen folgt das menschliche Empfinden von Verdienst und Schuld? (Foto von Keenan Constance von Pexels).
Über Verdienst und Schuld
Von den Gegenständen für Belohnung und Bestrafung
Wenn Adam Smith von Verdienst und Schuld spricht, meint er eigentlich die Lobenswürdigkeit und Strafwürdigkeit einer Handlung. Doch können wir die Bewertung einer Handlung oder Gemütsbewegung zweierlei vornehmen: Und zwar sowohl in Beziehung auf die Ursache bzw. den Gegenstand als auch auf den Zweck oder die Wirkung, die sie hat. Adam Smith zufolge, hängt es von der Angemessenheit bzw. Unangemessenheit, Verhältnis- oder Unverhältnismäßigkeit ab, die eine Gemütsbewegung gegenüber der Ursache oder dem Objekt hat, ob die daraus entstehende Handlung schicklich oder unschicklich und wohlanständig oder unanständig ist. Je nachdem, ob eine Gemütsreaktion eine wohltätige oder schädliche Absicht hat, hängt der Verdienst bzw. die Schuld und die Lohn- oder Strafwürdigkeit der Handlung ab, die der Absicht folgt.
Da Handlungen aus Dankbarkeit Belohnung verdienen, würde solchen aus Vergeltung Bestrafung folgen. Während das Gefühl, jemanden belohnen zu wollen, Dankbarkeit ist, wäre es Vergeltungsgefühl jemanden bestrafen zu wollen. Nachdem wir eine Handlung, die wir als Vergeltungsgefühl einordnen, strafwürdig scheint, ist eine Handlung belohnenswert, die für uns Dankbarkeit ausdrückt. Lohn und Strafe treiben uns stärker an, über Glück und Elend anderer zu urteilen und diese zurückzuzahlen als andere Affekte. Unser Dankbarkeitsgefühl jemandem gegenüber verlangt, dass unser Dank ihm gegenüber ausgedrückt wird und er dadurch zu Glück kommt. Solange wir dem anderen unsere Dankbarkeit nicht gezeigt und ihm Glück beschert haben, fühlen wir uns in der Schuld.
Fische könnten sich glücklich schätzen Gefühle wie Schuld und Vergeltung nicht zu fühlen (Photo by Jeremy Cai on Unsplash).
Abneigung, Vergeltung und Reue
Anders bei Hass und Abneigung: Zwar mag uns das Unglück des anderen zufriedenstellen, aber beteiligt daran sein möchten wir nicht. Insofern kein Vergeltungsgefühl mitspielt. Vergeltungsgefühl erweckt den Wunsch, selbst Strafe auszuüben. Wegen des Unrechts, das der andere uns direkt oder indirekt angetan hat. Zudem reicht es nicht, dass dieser bestraft wird. Denn er muss für seine Tat bestraft werden, so dass er aufgrund seiner Handlung Reue empfindet. Gesetzliche Strafe funktioniert deshalb, das sie ein abschreckendes Beispiel ist, obwohl sie eigentlich auf Einsicht und Besserung des Gesetzesbrechers abzielt.
Während Verdienst mit Dankbarkeit einher geht, folgt auf Schuld oftmals Reue (Photo by twinsfisch on Unsplash).
Gegenstände der Dankbarkeit und Vergeltung
Schicklich, also angemessen, erscheinen uns nur solche Affekte, also Gefühle, die bei einem unparteiischen Zuschauer Sympathie hervorrufen und solange ein Augenzeuge vollkommen mitfühlen kann. Deshalb erscheint es, dass uns eher diejenige Handlung belohnenswert, die auch allgemein belohnt werden würde. Und demgemäß erscheint uns eine Handlung strafenswert, die gemeinhin so beurteilt würde.
Es gibt Bilder und Szenen, die in fast jedem Menschen Glück, Freude und Sympathie hervorrufen (Photo by Alex Alvarez on Unsplash).
Verdienst und Mitgefühl
Wenn wir jemanden sehen, der z.B. Hilfe bekommt, sympathisieren wir mit dessen Freude und verstärken unser eigenes Mitgefühl mit seiner Dankbarkeit dem Helfenden gegenüber. Da wir die Neigung des Geholfenen teilen, empfinden wir seine Gegenleistungen als schicklich und angemessen.
Wenn wir mit dem Kummer eines Mitmenschen sympathisieren, teilen wir auch seine Abneigung gegen die Ursachen seiner Notlage. Und genauso angemessen erscheinen uns die Maßnahmen um sich aus dieser Lage zu befreien. Vor allem wenn ein Mensch die Ursache ist (z.B. ein Angreifer), trägt unsere Sympathie dazu bei, unser Mitgefühl mit dem Vergeltungsgefühl des Leidenden zu verstärken. Falls dieser Mensch zu Tode kommen sollte, sympathisieren wir sowohl mit den Gefühlen der Hinterbliebenen als auch mit jenen, die der Tote nicht mehr haben kann (z.B. sein Leiden, sein Vergeltungsgefühl).
Wenn mir mit dem Leid eines Menschen sympathisieren, neigen wir dazu, uns mit ihm gegen die Ursache seiner Notlage zu verbünden (Photo by twinsfisch on Unsplash)
Verdienst und Missbilligung
Generell haben wir wenig Sympathie mit der Dankbarkeit einer Person, die eine Wohltat nach unserem Ermessen nicht verdient hat. Zudem haben wir keine Sympathie mit dem Vergeltungsgefühl eines Menschen, der Schaden aus einer Absicht heraus erleidet, die wir nicht missbilligen. Falls in der Absicht jemandem Schaden zugefügt zu haben, nichts Unschickliches oder Unrichtiges lag, sympathisieren wir nicht mit dem Vergeltungsgefühl des Geschädigten. Demgemäß sympathisieren wir auch nicht mit der Dankbarkeit eines Menschen, der Hilfe aus einer Absicht heraus erhalten hat, die wir nicht schicklich finden. Ergo, Sympathie ist nicht möglich mit Affekten, die eine Reaktion auf Handlungen sind, die uns nicht schicklich erscheinen (z.B. Wohltaten aus Opportunismus, Ego, Image).
Wurde hingegen ein Schaden an einem Menschen mit einer Absicht erzeugt, die uns schicklich erscheinen, sympathisieren wir nicht mit dem Vergeltungsgefühl des Geschädigten. Dann hat der Geschädigte unseres Erachtens kein Recht auf Vergeltung. Z.B. teilt das Vergeltungsgefühl eines zum Tode verurteilten Mörders demnach nicht unser Mitgefühl. Solange das Leid nicht größer ist, als jenes, das wir selbst ihm gewünscht hätten.
Analyse von Verdienst und Schuld
Das Gefühl der Verdienstlichkeit bildet sich sowohl aus der indirekten Sympathie des Dankbaren gegenüber, als auch der Sympathie den Motiven des Helfenden gegenüber. Es sind die auf Sympathie beruhenden Empfindungen der Dankbarkeit und Liebe dem Handeln aus Wohltätigkeit gegenüber, die das Gefühl der Verdienstlichkeit und Lobenswürdigkeit entstehen lassen. Wenn wir die Absichten des Handelnden nicht missbilligen, können wir auch nicht mit dem Vergeltungsgefühl des Betroffenen sympathisieren. Vergeltung gilt gemeinhin eher als zu verabscheuender Affekt und Dankbarkeit eher als liebenswürdig. Sobald jedoch unverdiente Bosheiten vorausgingen oder Reaktionen herausgefordert wurden, sind Strafen gesellschaftlich angemessen und sogar erwünscht.
Darüber hinaus hängt es nicht vom Vorhandensein oder dem Ausmaß der Dankbarkeit eines Geholfenen ab, ob ich selbst Verdienstlichkeit empfinde, sondern ob der Helfende schickliche Absichten hatte.
Das rechte und das eigene Maß
Adam Smith analysiert ferner die Grundsätze, nach denen der Mensch als unvollkommenes und schwaches Wesen Bestrafung billigt. Denn wir können dennoch mit Vergeltungsgefühl sympathisieren, wenn die Art und das Ausmaß der Bestrafung nicht jenes übersteigt, die wir selbst bemessen würden. D.h. unsere Gefühle müssen mit denen des anderen deckungsgleich sein und diese rechtfertigen. Da die meisten Menschen aber unfähig sind, Vergeltung zu zügeln und herabzuregulieren, sympathisieren wir umso stärker mit jemandem, der sich selbst beherrschen kann.
Auch Unmut und Verdruss haben für jeden von uns ein bestimmtes Maß, unabhängig davon, ob jemand Schuld trägt (Foto von omar alnahi von Pexels)
Auch mit dem Unmut und Verdruss eines Leidenden können wir nicht sympathisieren, wenn diese unser Maß überschreiten. Denn wir stimmen in diesem Fall dem Vergeltungsgefühl desjenigen zu, der zur Zielscheibe des ungerechtfertigten Vergeltungsgefühls des Leidenden wurde. Die Billigung der Schicklichkeit erfordert, dass ich a) mit dem Handelnden sympathisiere, also mit seinen Absichten und b) dass, er sich auch in seinem Handeln angemessen verhält.
Quellen
Über das Gefühl für Verdienst und Schuld, Adam Smith (aus Theorie der ethischen Gefühle: TEG II, Abschnitt 1, Kapitel 1 – 5).
spektrum.de: METZLER LEXIKON PHILOSOPHIE: Prinzip der Anteilnahme, 2008 Springer-Verlag Deutschland GmbH.
C. Gilligan: Die andere Stimme. Lebenskonflikte und Moral der Frau. München 1984.
adamsmith.org: The Theory of moral sentiments. Adam Smith Institute, aufgerufen am 03.05.2020.
In meinem letzten Beitrag habe ich über die schottische Aufklärung und einen der wesentlichen Aufklärer, Adam Smith, berichtet. Vielen ist er eher als wegweisender Ökonom 18. Jhd. bekannt. Noch lange bevor er seine Karriere als Wirtschaftswissenschaftler begann, hat er sich als Moralphilosoph mit Sympathie beschäftigt. Sein erstes Hauptwerk, dieTheorie der ethischen Gefühle (kurz: TEG; engl.The Theory of Moral Sentiments) war bereits bei ihrer Veröffentlichung 1759 ein voller Erfolg. Darin beschreibt Smith, dass der Mensch zu anderen Menschen von Natur aus eine Verbindung auf der Gefühlsebene herstellen kann: Und zwar mithilfe der Sympathie. Wie sehr der Mensch über Sympathie funktioniert, möchte ich euch in mehreren Beiträgen vorstellen. Hier und heute geht es um den ersten Teil des Buches; ‘Über Sympathie und ethische Gefühle’.
Kurz vorab: In seinem Buch verwendet Adam Smith häufig den Begriff ‘Affekt‘. Damit meint er jede Art von Gefühl und Gemütsbewegung, die beim Menschen entstehen können. Nicht umsonst sprechen wir von sog. ‘Affekthandlungen’, wenn Handlungen relativ unbeherrscht und aus Gefühlen heraus entstehen.
Vom Prinzip der menschlichen Anteilnahme
Das Prinzip, das der Anteilnahme des Menschen an anderen Menschen zugrunde liegt, ist damit verbunden, dass er sich als Zeuge der Glückseligkeit anderer an eben dieser erfreuen möchte. Sympathie ist unser Mitgefühl mit jeder Art von Affekten bzw. Gefühlsbewegung unseres Gegenübers, während Erbarmen und Mitgefühl lediglich den Kummer des anderen betreffen. Über unsere Vorstellungskraft können wir uns ein Bild der Empfindungen anderer machen und der Lage, in der sie sich befinden.
Sympathie wird weniger durch einen Affekt selbst hervorgerufen, sondern durch den Betrachtung oder die Kenntnis der Situation, die den Affekt verursacht hat. Dies bedeutet, dass, solange wir nicht wissen, was jemandem passiert ist, hält sich unsere Sympathie oder Mitgefühl für sein Leiden noch gering. Natürlicherweise sympathisieren wir eher mit jenen die sich zur Wehr setzen als mit jenen, gegen die sich die Vergeltung oder der Zorn richten. Vorausgesetzt, wir können den Grund für die Vergeltung nachvollziehen. Affekte können aber auch übertragen werden, z.B. erzeugen kummervolle Mienen auch beim Zuschauer Kummer.
Kummer und Vergeltungsgefühl verlangen stärker nach Trost durch Sympathie als Freude (Image by Free-Photos from Pixabay.com).
Wie funktioniert Sympathie?
Da der Mensch nicht uneigennützig ist, geschieht Sympathie nicht uneigennützig. Wir freuen uns, wenn wir jemanden bereichern und eine Freude machen konnten. Darüber hinaus gefällt es uns, wenn uns andere bemitleiden und gleichermaßen kränkt es uns (und unser Ego), wenn es niemand tut, wir uns aber für bemitleidenswert halten. Zudem kränkt es uns, wenn wir die Sorge und den Kummer eines anderen nicht teilen bzw. nachempfinden können. In diesen Fällen nehmen wir den Betroffenen in seinem Affekt nicht ernst (genug), er erscheint uns ängstlich und schwach.
Sympathie ist nicht ganz uneigennützig: Erfreuen wir jemand anderes, freut uns das auch (Image by Free-Photos from Pixabay.com).
Paradox erscheint, dass Sympathie Freude verstärkt, Kummer hingegen nicht, sondern stattdessen erleichtert. Dies geschieht deshalb, weil wir im kummervollen Zustand nicht aufnahmefähig für Kummer sind, sondern eher für andere (positive) Empfindungen. Da Kummer und Vergeltungsgefühl stärker nach Trost durch Sympathie verlangen als Freude, überwiegt die Erleichterung durch die Sympathie und Anteilnahme unseres Gegenübers. Können wir mit einem Affekt nicht sympathisieren, passt unsere Gemütsbewegung nicht zum Affekt. In diesem Fall bewerten wir die Ursache des Affekts als unbedeutend und die Reaktion darauf (also den Affekt selbst) als übertrieben. Dabei gehen wir von dem aus, was uns angemessen erscheint, wenn wir jemand anderen beurteilen.
Sympathie von anderen Menschen kann unsere eigene Freude verstärken (Image by Mabel Amber from Pixabay.com).
Generell sympathisieren wir eher mit den Menschen, die ihre Affekte würdevoll zeigen können. Einfach ausgedrückt, mit Menschen, die nicht von ihren Gefühlen beherrscht werden. Zudem löst es Sympathie in uns aus, wenn Menschen ihre Affekte so herunterregulieren können, dass jeder Gegenüber sie nachfühlen könnte. Wut und Zorn sind generell Affekte, die abstoßend wirken, wenn man ihnen freien Lauf lässt.
Welche Voraussetzungen gibt es?
Vor allem feinfühlige Menschen neigen zu Sympathie und können am ehesten nachfühlen wie es einem Anderen geht oder welche Schmerzen er hat. Zudem braucht Sympathie eine Übereinstimmung: Wenn die Affekte eines anderen mit meiner Gemütsreaktion darauf übereinstimmen, scheinen mir seine Affekte angemessen. In der Folge sympathisiere ich mit ihnen. Adam Smith verwendet für ‘angemessen’ auch die Begriffe ‘sittlich’ und ‘schicklich’. Wenn meine Sympathie so groß ist wie der Kummer des anderen, wird er sich in seinem Kummer bestätigt fühlen, d.h. dieser erscheint auch ihm angemessen.
Gefühle können ansteckend sein und Sympathie zum anderen herstellen (Photo by Sam Manns on Unsplash.com).
Je nachdem, wie hoch der Grad an Übereinstimmung zwischen dem Affekt des anderen und meiner Gemütsbewegung ist, wird mein Gegenüber meine Sympathie mehr oder weniger missbilligen oder schätzen. Dennoch kann ich mit der Gemütsbewegung anderer sympathisieren, auch wenn sie nicht zu meiner eigenen passt, da ich vielleicht gerade nicht in der Stimmung zur Freunde bin oder gedanklich zu belegt, als dass ich Anteil nehmen könnte an Zuständen von Trauer oder Sorge. Gleichermaßen kann ich ein Lachen ohne meine (emotionale) Beteiligung deshalb billigen, da ich weiß, dass dieses in einer derartigen Situation angemessen wäre.
Beziehungen und Gegenstände
Auch Gegenstände, können Sympathie auslösen. Zum einen, wenn eine Beziehung zu ihnen besteht (persönliches Erlebnis) und zum anderen, wenn sie beziehungsneutral sind (z.B. Gemälde). Besteht keine Beziehung der Beteiligten zum Gegenstand, kann es trotzdem zu Sympathie kommen. U.a. deshalb, weil man der gleichen Meinung ggü. dem Gegenstand ist. Auch im Falle einer unterschiedlichen Ansicht zum Gegenstand kann es zu Sympathie kommen. Und zwar deshalb, weil der Gegenstand in keiner Beziehung zu den Beteiligten steht. Anders ist es bei Gegenständen, zu denen eine Beziehung besteht. Falls hier die Übereinstimmung der Gemütsregung oder des Urteils darüber fehlt, wird langfristig kein Gespräch mehr (zu diesem Thema) möglich sein.
Nimmt jemand nicht Anteil an Dingen, die uns wichtig sind, kann er nicht mit unserer Sympathie rechnen (Photo by Lesly Juarez on Unsplash.com).
Damit überhaupt eine Übereinstimmung zu einem bedeutungsvollen Gegenstand zustande kommt, muss sich der Zuschauer bzw. Zuhörer um Empathie für den Betroffenen bemühen. Jedoch trösten Empathie und Mitleid, aber der Betroffene muss seinen Affekt immer noch bis zu dem Punkt herunter regulieren, an dem der Zuhörer mitfühlen und Anteilnahme empfinden kann. Nur dann kommt es zu einer ausreichenden Übereinstimmung der Gemütszustände (Harmonie der Gesellschaft) und zum maximal möglichen Trost für den Betroffenen. Generell billigen wir das Urteil eines anderen allein aus dem Grund, dass es mit dem unsrigen übereinstimmt und löst deshalb Sympathie in uns aus.
Indem die Sympathie gegenüber Affekten unsere Beziehungen zu und mit anderen Menschen regelt, können wir einordnen, mit welchen Menschen wir uns umgeben möchten und welche wir meiden sollten. Über unsere Sympathie erkennen wir, welche Menschen uns bereichern und welche uns eher Energie abverlangen. Indem die Vollkommenheit der menschlichen Natur besagt, dass wir viel für andere und wenig für uns selbst fühlen sollen, wären selbstzentrierte Handlungen zu beherrschen, Affekte zu kontrollieren und nur anerkennende Aussagen zu machen. Im Christentum geht man noch weiter. So heißt es, wir sollen unseren Nächsten nicht weniger lieben als uns selbst und uns selbst nur soviel wie unseren Nächsten. Ergo, sollten wir uns keinesfalls mehr lieben als unseren Nächsten.
Wie sieht die Sympathie mir selbst gegenüber aus, wenn ich mich dem Maßstab anderer gemäß lieben soll? (Photo by Jude Beck on Unsplash.com)
Adam Smith spinnt diese Aussage weiter und sagt, “wir sollten uns nur soviel lieben wie unser Nächster in der Lage ist uns zu lieben”. Dies könnte mehr oder weniger Anerkennung von Seiten meines Gegenübers für mich bedeuten. In jedem Fall sollten wir akzeptieren, dass jemand uns nicht mehr lieben kann als er es eben tut. Oder uns nicht so viel Liebe entgegenbringen kann, wie wir selbst es für uns können. Hierbei geht es darum, dass wir die Handlungen und Gemütsbewegungen anderer nicht mit unserem eigenen Maßstab bewerten sollten. Und anstatt von anderen die bestmögliche Handlung oder Reaktion zu erwarten, sollten wir eher Maßstab einer durchschnittlich zu erwartenden Handlung oder Reaktion anwenden. Dann sind wir mit dem Ergebnis immer zufriedener als nach einer Bewertung mit dem Maßstab der absoluten Vollkommenheit.
Quellen
Über die Schicklichkeit oder sittliche Richtigkeit von Handlungen, Adam Smith (aus Theorie der ethischen Gefühle: Teil I, 1. Abschnitt, Kapitel 1 – 5).
spektrum.de: METZLER LEXIKON PHILOSOPHIE: Prinzip der Anteilnahme, 2008 Springer-Verlag Deutschland GmbH.
C. Gilligan: Die andere Stimme. Lebenskonflikte und Moral der Frau. München 1984.
adamsmith.org: The Theory of moral sentiments. Adam Smith Institute, aufgerufen am 03.05.2020.
Wir schreiben das 1723. Adam Smith wird im Juni dieses Jahres im schottischen Kirkcaldy geboren, einer Gemeinde an der Ostküste des Landes, unweit von Edinburgh. Sein Vater stirbt kurz vor der Geburt. Smith wächst bei seiner Mutter auf, zu der er eine starke Bindung aufbaut. Er lebt in Kirkcaldy bis er im Alter von 14 Jahren Smith sein Studium an der Universität von Glasgow beginnt. Glasgow zeichnete sich zu dieser Zeit durch einen ökonomischen Aufschwung aus und diente Smith später auch als Objekt seiner ökonomischen Beobachtungen. Dort besucht er die Vorlesungen des Moralphilosophen Francis Hutcheson (1694 – 1745), der zugleich ein Vertreter der schottischen Aufklärung ist.
Obwohl unbekannt ist, wie sehr Smith durch Hutcheson beeinflusst wurde, sind die Ähnlichkeiten vieler Theorien Smiths offensichtlich. Vor allem seine Ideen von gesetzlichen Bestimmungen, Eigentums- und unveräußerlichen Rechten weisen Übereinstimmungen mit Hutcheson’s zweiter Abhandlung der ‘Untersuchung über den Ursprung unserer Ideen von Schönheit und Tugend’(Abschnitt V – VII) auf. Darin gleicht Hutcheson das naturgemäße Wohlwollen mit den Gefühlen von Ehre, Scham und Mitleid ab und mit der Beurteilung von moralischem Bewusstsein. Zudem erklärt er, wie Wohlwollen den Menschen in seinen Handlungen und Glückseligkeit beeinflusst. Smith’s Ideen in seinem zweiten Hauptwerk ‘Wohlstand der Nationen‘ (engl. Wealth of Nations) ähneln sich in den Fragen der Arbeitsteilung sowie in der Vereinbarkeit von Pensum und Schwierigkeitsgrad von Arbeit und ihrem Wert. Außerdem beeinflusste ihn Hutcheson’s Erörterung zu den Kosten von Gütern, die abhängig von von ihrer Nachfrage sowie der Schwierigkeit ihrer Beschaffung sind (Systems II. 10. 7).
Adam Smiths Leben: Lehr- und Studienjahre
Nach drei Jahren Studium in Glasgow beginnt Smith das Philosophiestudium an der Universität Oxford. 1950 wird Adam Smith im Alter von 27 Jahren Professor für Logik an der Uni Glasgow. Bereits ein Jahr später wechselt zum Lehrstuhl für Moralphilosophie. Während seiner Zeit dort freundet er sich mit David Hume an, der wie Smith stark durch die Theorien Hutchesons beeinflusst wurde. Hume gilt später als Wegbereiter für Immanuel KantsTranszendentalphilosophie.
Bereits in jungen Jahren galt Smith als zerstreut mit einer umstrittenen Neigung für Selbstgespräche sowie Spekulationen. Darüber hinaus ist Smith als sehr fürsorglich überliefert, denn er ließ seine Studenten bei sich wohnen und sorgte für sie. Im Jahr 1758 übernimmt Smith das Amt des Dekan an der Uni Glasgow. Nur ein Jahr später veröffentlicht Smith mit der ‘Theorie der ethischen Gefühle’ sein erstes philosophisches Hauptwerk, das ein voller Erfolg wird. Darin beschäftigt er sich mit Fragen zur moralischen Urteilsbildung des Menschen.
1763 nimmt Smith ein gut bezahltes Angebot des damaligen Präsidenten des Handelsministeriums Charles Townshend an, in dem er als Tutor für seinen Stiefsohn, dem jungen Herzogs Henry Scott, tätig werden soll. Damit legt Adam Smith seine Professur nieder. Als er die Universität verlässt, zeigt sich Smith sehr großzügig: Für das noch nicht beendetes Studienjahr zahlt er seinen Studenten die Studiengebühren zurück. Im gleichen Jahr geht er schließlich mit Henry Scott und dessen Bruder Hew Scott auf Bildungsreise, die ihn sowohl nach Toulouse, Genf als auch nach Paris führt.
Zunächst reist Smith mit seinen beiden Schülern nach Toulouse, wo er ganze 18 Monate in einer englischen Kolonie verbringt. Es heißt, dass Smiths Kenntnisse des Französischen nicht ausreichten, um im damals sehr bedeutenden Toulouse Fuß zu fassen. Daraufhin beginnt er ein Buch zu schreiben, möglicherweise den ‘Wohlstand der Nationen’ und reist weiter nach Genf. Nachdem Smith in Genf auf Voltaire trifft, begegnet er in Paris neben seinem Freund David Hume auch dem französischen Ökonomen und Leibarzt Ludwigs des XV.Francois Quesnay, der zudem als Begründer des physiokratischen Systems (Physiokratie) gilt.
Die Salons der französischen Aufklärung
Durch seinen guten Freund David Hume, der damals Schriftführer in der britischen Botschaft in Paris war, erhielt Smith Zugang zu den Salons der Literaten der französischen Aufklärung. Dort lernte er u.a. Francois Quesnay kennen, sowie eine Gruppierung von Sozialreformern und Theoretikern, angeführt von Quesnay. Diese bezeichneten sich damals als Ökonomen, heutzutage gelten sie als Physiokraten. Übrigens beschreibt ein Zitat der Schauspielerin Riccoboni aus Smiths Pariser Zeit ihn als „moralisch, praktisch denkend, vergnügt, ohne Hang zur Pedanterie, lachend, liebenswürdig und zerstreut“ (Raphael, Daniel D., 1991, 17-39., S. 30).
Treffen der Ökonomen: Die Begegnung mit Francois Quesnay
Die Begegnung Smiths mit Quesnay ist insofern interessant, da Quesnay zuvor mit seinem Tableau économique von 1758 die Idee eines gesamtwirtschaftlichen Kreislaufmodells entwickelt hatte. In seiner Ausübung als Arzt sah er eine Parallele zwischen dem Güterkreislauf und dem menschlichen Blutkreislauf; die ihn auf die Idee einer “Natürlichen Ordnung” im sozialen Dasein brachte. Zudem veranlasste ihn dies, sich gegen den französischen Merkantilismus auszusprechen: “Laissez faire, laissez passer, le monde va de lui meme” (dt. “Lassen Sie machen, lassen Sie geschehen; nämlich die Welt, wie sie eben geht”). Damit war er einer der wesentlichen Befürworter des nachfolgenden Liberalismus, der vor allem Gewerbefreiheit sowie gewerbefördernde Infrastrukturen und staatliche Manufakturen forderte.
Nach insgesamt drei Jahren erkranken der Junge Herzog und sein Bruder an Fieber. Smith zeigt sich in dieser Zeit sehr fürsorglich und mitfühlend. Als Hew Scott am Fieber stirbt, endet die Reise auch für Adam Smith. Nach seiner Rückkehr, arbeitet Smith bis 1767 mit Lord Townshend in London. Danach verbringt er mehrere Jahre in Kirkcaldy und schreibt seine ökonomische Abhandlung, den ‘Wohlstand der Nationen’ (engl. Wealth of Nations). Das Buch stellt er schließlich während eines erneuten Aufenthalts in London fertig.
Nachdem er über sechs Jahre am ‘Wohlstand der Nationen’ gearbeitet hatte, wird das Buch 1776 als voller Erfolg veröffentlicht. In seinem zweiten Hauptwerk beschreibt Smith die Auswirkungen von Eigeninteresse auf die Gesellschaft. Zudem neige der Mensch zu Handel und Tausch und möchte seine Lebenssituation verbessern. Smith war davon überzeugt, dass Reichtum sich durch menschliche Arbeit ergibt. Und dass der Reichtum eines Landes durch seine Waren zustande käme, nicht allein durch Geld. Darüber hinaus schien Smith viel von der Landwirtschaft zu halten. Jedoch befand er sie nicht als einzig wahre Quelle von Reichtum.
Ferner beschrieb Adam Smith, wie wichtig Arbeitsteilung und Spezialisierung für den Wohlstand seien. Demnach bestehe der höchste Zweck des Wirtschaftslebens im freien Austausch von Waren und Dienstleistungen. Adam Smith zufolge sollten Freier Handel und Wettbewerb die Lenkung der Wirtschaft durch den Staat ablösen. Den in seinem Buch beschriebenen Liberalismus stellte zu seiner Zeit einen sog. ‘counterpart‘, also ein Gegenstück, zum Merkantilismus Europas dar. Der freie Wettbewerb sollte die staatliche Einschränkung der Wirtschaftsgeschehens, die durch Zölle aufrecht erhalten wurde, ersetzen.
Adam Smiths Leben: späte Phase
Smiths Freundschaft mit David Hume wird sehr gut in der großen gegenseitigen Anerkennung deutlich. So erkannte Hume den Anspruch an Smiths Büchern und lobte deren Tiefe und Fundiertheit sowie Smiths Glaubwürdigkeit und Scharfsinn. Auch Smith zeigte große Bewunderung für Hume. Es heißt Hume’s Charakter sei für Smith ein Beispiel für vollkommene Rechtschaffenheit gewesen.
Nach der Veröffentlichung des ‘Wohlstands der Nationen’ 1776 stirbt David Hume. Als Smith eine Schilderung für Humes Autobiografie schreibt, wird er dafür von konservativen Christen als Verfechter des Atheismus bezeichnet. 1777 wird Smith Zollkontrolleur in Edinburgh. Abermals unternimmt er Reisen nach London, bei denen er auch viele schottische Landleute trifft. Sowohl die Gesellschaft seiner Freunde als auch die Teilnahme in ökonomischen societies bedeuteten Smith viel. Bereits im Alter von 67 Jahren starb Smith (1790). Ein Jahr zuvor beginnt mit dem Sturm auf die Bastille die Französische Revolution. Sowie testamentarisch durch Smith festgelegt, wurden zahlreiche Aufzeichnungen vernichtet.
Quellen
Biographie von Adam Smith: Raphael, Daniel D., Adam Smith, Frankfurt 1991, 17-39.
adamsmithsociety.net:Biographie von Adam Smith. International Adam Smith Society, aufgerufen am 01.06.2020.
Ballestrem, Karl: Adam Smith. München 2001; Linß, Vera: Die wichtigsten Wirtschaftsdenker. Wiesbaden 2007; Volpi, Franco/ Nida-Rümelin, Julian (Hrsg.): Lexikon der philosophischen Werke. Stuttgart 1988.
dibb.de: Steckbrief zu Adam Smith, aufgerufen am 31.05.2020.
reader.digitale-sammlungen.de: A System Of Moral Philosophy: In Three Books; To which is prefixed Some Account Of The Life, Writings, And Character Of The Author. Francis Hutcheson, London, 1755. PDF-Download und Online-Nachlese, aufgerufen am 01.06.2020.
meiner-elibrary.de: Über den Ursprung unserer Ideen von Schönheit und Tugend. FRANCIS HUTCHESON. Hrsg. Wolfgang Leidhold. Felix Meiner Verlag, 1986.
iep.utm.edu: Biografie über Francis Hutcheson, The Internet Encyclopedia of Philosophy (IEP), Phyllis Vandenberg und Abigail DeHart. Aufgerufen am 01.06.2020.
adamsmith.org: The Wealth of Nations. Adam Smith. Adam Smith Institute. Aufgerufen am 01.06.2020. Eamonn Butler’s Condensed Wealth of Nations als PDF-Download.
unifr.ch: 2. Teil – Die Entstehung des klassischen Systems. Prof. Heinrich Bortis, Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte
wirtschaftslexikon.gabler.de:Definition des Tableau économique von Francois Quesnay. Autor: Prof. Dr. Dirk Sauerland, Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Institutionenökonomik und Gesundheitspolitik. Revision von Tableau Économique vom 19.02.2018.
link.springer.com: Schmölders G. (1961) Die Physiokraten: François Quesnay (1694–1774). In: Geschichte der Volkswirtschaftslehre. Die Wirtschaftswissenschaften. Gabler Verlag, Wiesbaden.
britannica.com: Biograpfie zu Adam Smith. Autor: Robert L. Heilbroner, Encyclopædia Britannica, inc., 12.08.2019.
wirtschaftslexikon.gabler.de: Definition – Merkantilismus. Autor: Prof. Dr. Dirk Sauerland, Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Institutionenökonomik und Gesundheitspolitik. Revision von Merkantilismus vom 19.02.2018.